Projekt KUNST AM BAU in der DDR

Dresden – Kunst im Stadtraum. Architekturbezogene Kunst 1945 – 1989

ISBN 978-3-943444-48-3, Verlag Saxophon-Verlag, Verarbeitung Softcover, Anzahl Seiten 180 Seiten, Anzahl Abbildungen mit zahlreichen farbigen Abbildungen, Format 22 x 26 cm, 29,90 €

 Erhältlich bei http://www.editionsz.de/dresden-kunst-im-stadtraum.html und in den Dresdner Buchhandlungen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Pressestimmen

Dresdner Universitätsjournal 20 | 2015 , S. 10

Dresden – Kunst im Stadtraum – Buchtipp: In Antje Kirschs Veröffentlichung werden auch Gebäudeensembles rund um die TU Dresden analysiert  von Tanja Scheffler


Architekturbezogene Kunstwerke prägten während der DDR-Zeit sowohl das
Erscheinungsbild als auch das Ambiente vieler Gesellschaftsbauten und Ensembles. Auf dem Dresdner Universitäts-Campus sind – von den verschiedenen Außen- und Innenwandgestaltungen der Hochschulgebäude bis hin zu Hermann Glöckners markanter Stahlplastik vor der Neuen Mensa – viele diese Arbeiten nicht mehr wegzudenken. Bewusst wahrgenommen werden sie jedoch meistens nicht.
Dies möchte Antje Kirsch mit ihrem neuen Buch »Dresden – Kunst im Stadtraum. Architekturbezogene Kunst 1945 – 1989« jetzt ändern, indem sie erste Einblicke in die komplexen Zusammenhänge der Entstehung dieser Arbeiten gibt und dabei sechs besonders umfangreich gestaltete Ensembles von der
künstlerischen Gesamtkonzeption bis zum Detail vorstellt. Dabei fokussiert sie – neben dem ab 1945 im  großen Stil erweiterten und ausgebauten Hochschul-Campus – vor allem die drei innerstädtischen Ensembles am Altmarkt, an der Prager Straße und auf dem Robotron-Areal sowie die beiden Neubausiedlungen Prohlis und Gorbitz. Da die ostdeutsche »Kunst am Bau«– mit Ausnahme der politisch-affirmativen Wandbilder – bislang kaum erforscht wurde, zielt Kirsch darauf ab,erst einmal einen umfassenden Überblick über alle während der DDR-Zeit in Dresden entstandenen Arbeiten zu geben.
Denn viele wurden (wie die Brunnenanlagen der Prager Straße) nach der Wende stark verändert oder aber gleich ganz entsorgt. Dabei beleuchtet sie auch die komplexe Entwicklung des sich immer mehr aufweitenden Begriffs des »sozialistischen Realismus«: vom wandfüllenden, ideologisch konnotierten
Wandbild »Wilhelm Pieck spricht zu den Studenten« (1954) im Foyerbereich des Potthoff-Baus über die vielen bereits wenige Jahre später entstandenen, grafisch deutlich freieren Wandmosaike in den anderen Hochschulgebäuden bis hin zur geometrisch-ornamentalen Verklinkerung der Außenwand der Universitäts-
Buchhandlung in der Rugestraße. Denn obwohl die baubezogene Kunst Ausdruck der neuen gesellschaftlichen Verhältnisse sein sollte, agierten die verschiedenen Künstler je nach Auftrag und kulturpolitischer Großwetterlage im Spannungsfeld zwischen dem Eingehen auf die offiziellen Erwartungen
und der Formulierung einer ganz eigenen, individuellen künstlerischen Haltung völlig unterschiedlich.
Kirschs Bestandsaufnahme offenbart auch bei der Neuen Mensa eine umfangreiche Ausstattung mit Grafiken, Collagen, keramischen und textilem Wandschmuck, darunter auch eine Wandgestaltung von Rudolf Sitte in »Vegetativen Formen« im Treppenaufgang zum Betriebsrestaurant sowie das prominent an der Rückwand der Cafeteria angebrachte Acrylbild »Raumflug und Kosmos« von Jürgen Seidel.
Der aufgrund seiner Höhe und klaren Gestaltung am vielbefahren Verkehrsknotenpunktes des Fritz-Förster-Platzes geradezu als Landmarke fungierende »Mast mit zwei Faltungszonen« von Glöckner ist nicht nur wegen seiner neuartigen Gestaltungsform, sondern auch wegen seiner komplexen, vielschichtigen Entstehungsgeschichte interessant ist: Bereits 1976 für den Stadtraum entworfen, verzögerte sich die Ausführung immer wieder, weil ihre abstrakte Gestaltung dem Büro des Stadtarchitekten für verschiedene andere Standorte als kulturpolitisch nicht vertretbar erschien. Erst dem Künstlerischen Beirat der TU Dresden (unter der Leitung von Jürgen Schieferdecker) gelang es schließlich eine Realisierung des Kunstwerks durchzusetzen. Es wurde 1984 auf dem Campus aufgestellt: an einem bereits von weitem sichtbaren Standort. Viele Aspekte reißt der Band nur an. Er bietet jedoch einen guten Einstieg ins Thema, eine solide Zusammenstellung der entstandenen Arbeiten sowie einen ergänzenden Überblick über die beteiligten Künstler. Der Architekturfotograf Till Schuster, der am Lehrstuhl für Darstellungslehre der Fakultät Architektur der TU Dresden unterrichtet, steuerte umfangreiche aktuelle Bildstrecken (mit vielen eher unbekannten Arbeiten) bei. Diese die einzelnen Kunstwerke im ihrem räumlichen Zusammenhang oder aber bis ins Detail beleuchtenden Fotoaufnahmen laden zusammen mit
den verschiedenen Lageplänen, die die Standorte der Kunstwerke verdeutlichen, geradezu dazu an, die noch erhaltenen Werke auf eigene Faust vor Ort genauer in Augenschein zu nehmen.

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Dresdner Neueste Nachrichten, 30.11.2015

Architektur-Kunst 1945-89: Zeugnisse einer Allianz ganz eigener Art
von Christian Ruf

„Erziehung zum Staatsbewusstsein in Verbindung mit Verkehr und Technik“ - so weit wie vage lautete die thematische Vorgabe für ein Wandgemälde, mit dem man einst im real existierenden Sozialismus das Auditorium Maximum der Hochschule für Verkehrswesen am List-Platz zu schmücken gedachte.

Dresden. Für die bildnerische Umsetzung von „Erziehung und Staatsbewusstsein“ gab es keinen festgelegten Kanon. Den beiden beauftragten Künstlern, Alfred Hesse und Erich Gerlach, stellte sich zwangsläufig die nicht unheikle Frage, wie sie die Sache umsetzen wollten. Überraschende Lösung: Im Zentrum des Gemäldes - acht Meter hoch, 21 Meter breit und ausgeführt in klassischer Kasein-Technik - gruppieren sich Studenten, Dozenten, Arbeiter und Kinder in einem imaginären Kreis um Wilhelm Pieck, den ersten Präsidenten der DDR und vom Habitus her als Verkünder einer neuen „Religion“ erscheinend. Es erinnert (mehr als nur) ein bisschen an die Bergpredigt, kompositorisch war das Bild allerdings damit
gerettet. Als Titel des Bildes, das die Zeiten überdauerte, gilt inzwischen „Wilhelm Pieck spricht zu den Studenten“. Und auch im Bild „Der Weg der roten Fahne“, bekanntlich eine Seite des 1969 zum 20. Jahrestag der DDR eröffneten Kulturpalastes zierend, scharen sich Massen um einen „weisen Alten“, in diesem Fall Walter Ulbricht, den damaligen Regierungschef. Das Bild wurde mittlerweile wegen seiner historischen Bedeutung, die es zu einem aussagekräftigen Teil der regionalen (Kunst-)Geschichte macht, unter Denkmalschutz gestellt. „Denn Agitation und die anfängliche Hoffnung auf bessere Zeiten lassen sich daran deutlich ablesen“, schreibt Antje Kirsch in ihrem Buch „Dresden - Kunst im Stadtraum“, das in Zusammenarbeit mit dem Verein Freie Akademie Kunst + Bau e.V. und dem Dresdner Amt für Kultur und Denkmalschutz erschienen ist.
Die Menge an Kunst ist einem Auftragssystem zu verdanken Die Publikation basiert auf mehren Kisten mit Aktenordnern, die bis zum Jahr 2009 im Keller der Genossenschaft Kunst + Bau lagerten. In den Akten sind sämtliche Vorgänge verzeichnet, die von 1958 bis 1992 durch Künstler der Genossenschaft Kunst am Bau ausgeführt wurden. Insgesamt sind 3071 Arbeiten dokumentiert. Nur wenige Objekte lassen einen die berechtigte, in Künstlerkreisen aber als despektierlich empfundene Frage „Ist das Kunst oder kann das weg?“ in den Sinn kommen. Jedenfalls eine „schwindelerregende Menge“ (Kirsch), und zu verdanken dem
„Auftragssystem der DDR“. Die unscheinbaren Kartons waren jedenfalls der Beginn einer Spurensuche nach „Artefakten einer künstlerischen Epoche“, die als solche verstanden „und unbedingt verstanden und gewürdigt werden sollte“, wie Kirsch im Vorwort schreibt. Architektur und Kunst seien eine Allianz eigener Art eingegangen, die Arbeiten seien nicht nur in ihrem zeitlichen Kontext bewahrenswert, versichert die Autorin, die sich insbesondere am Altmarkt und in der Prager Straße, am Robotron-Komplex
am Georgplatz und am Universitätskomplex Bergstraße / Zellescher Weg sowie in Prohlis und in Gorbitz fündig wurde. Das Buch solle dazu einladen, die „vertraute Umgebung neu zu entdecken, bislang unsichtbare Kunstwerke oder architektonische Details (wieder) zu finden und ihnen in der turbulenten Baugeschichte Dresdens einen angemessenen Platz zu gewähren“.
Wie man erfährt, wurde 1952 eine „Anordnung über die künstlerische Ausgestaltung von Verwaltungsbauten“ erlassen, die den Einsatz von ein bis zwei Prozent der Projektsumme für Kunstwerke wie Wandbilder, Reliefs und Bauplastiken, aber auch für Freiplastiken oder Gemälde und Grafiken zur
künstlerischen Ausgestaltung der Innenräume regelte. In einem damaligen SED-Parteiorgan fragte der Architekt Hermann Henselmann jedenfalls schon mal: „Wo blieben die zwei Prozent?“, womit er auf die fehlende künstlerische Ausgestaltung der Fassaden der Häuser an der Grunaer Straße im als erste
sozialistische Stadt gefeierten Dresden anspielt. Letztlich wurde die Regelung immer wieder geändert, ab 1971 waren laut Kirsch beispielsweise nur noch 0,5 Prozent für Kunstwerke vorgesehen, allerdings gab es auch keine Einschränkungen mehr, was die Art der Gebäude betraf. Aber hier und da durfte es auch ein bisschen mehr sein.
Beim Bau des postmodernen Hotels Bellevue erhielt das Dresdner Büro für bildende Kunst und architekturbezogene Kunst „relativ großzügige Mittel“ für bildkünstlerische Konzeption des Gebäudes. Die Auswahl der Hotellobby behielt sich der japanische Auftraggeber, die Kajima-Corporation, vor - und
entschied sich für Hermann Glöckner und Klaus Dennhardt.
Die Autorin merkt an, dass die hohe Zahl der in Dresden lebenden Künstler dafür sorgte, dass sie in der Bezirksstadt „deutlich regional unterscheidbare Strukturen“ bewirkte. Eine Auftragskommission regelte die Auftragsvergabe an die Künstler und kontrollierte die Umsetzung der Arbeiten, wobei das Gremium fast ausschließlich aus Künstlern und Architekten bestanden habe.
Nach Lage der Dinge hätten laut Kirsch zum Ende der DDR in keiner der großen Bezirksstädte Plattenbauten gestanden, die einander tatsächlich völlig glichen, „dank der regionalen ,Eingriffe‘ der ansässigen Künstler und Architekten“.
Regionale Besonderheit: Der Einsatz von Kacheln aus Meissner Fertigung Eine Besonderheit war beispielsweise der Einsatz von (Porzellan-)Kacheln aus Meissner Fertigung. So war der achtgeschossige Stahlskelettbau, in dem das Institut für Arbeitsökonomie und Arbeitschutzforschung untergebracht
war, als „Blaues Haus“ bekannt - weil es außen mit ozeanblauen Meissner Spaltkeramikplatten verkleidet war, die mit der Sanierung 2013 allerdings verschwanden. Und auch beim Wandbild „Dresden, Stadt der Wissenschaft, Kunst und Kultur, grüßt seine Gäste“ wurden von Kurt Sillack beim Entwurf auf Kacheln aus Meißen zurückgegriffen. Die Herstellung des 6,40 mal 12,80 Meter großen Bildes war nur unter schwierigen Bedingungen zu bewältigen.
Die Autorin merkt in ihrer gut lesbaren Studie an, dass es im Meissener Plattenwerk keinen Raum gab, der groß genug war, um die einzelnen bemalten Platten als Bild in Originalgröße zusammenzusetzen. So wurde dem für die Ausführung des Werks zuständigen Rudolf Lipowski ein Raum im Japanischen Palais zur Verfügung gestellt. Das hieß allerdings, dass alle Platten erst zum Anpassen nach Dresden und dann zum Nachbrennen wieder über die notorischen Rüttelwege der DDR nach Meißen transportiert
werden mussten.
Wie Antje Kirsch ins Gedächtnis rückt, wurde 1953 in der Porzellanmanufaktur Meißen die Abteilung „Künstlerische Wandgestaltung“ eingerichtet, nachdem man den Auftrag ausgeführt hatte, das von Max
Lingner entworfene Wandbild für das Haus der Ministerien der DDR in (Ost-)Berlin auf Porzellanplatten zu übertragen. Die Zusammenarbeit mit den in Meißen tätigen Porzellanmalern und bildenden Künstlern dauerte offenkundig Jahrzehnte an. Zahlreiche ihrer Wand- und Säulengestaltungen sind in der Dresdner Architektur noch sichtbar - wie im Beispiel am Altmarkt.
„Als eigenständige Farb- und Formschöpfungen bilden sie eine typische regionale Materialtradition“, schreibt Kirsch in ihren Ausführungen zum Wandbild „Flügelrad/Das Reichsbahnnetz“, das Franz Nolde und Herbert Aschmann für den Neubau der Fachschule für Eisenbahnwesen schufen. Die Autorin erinnert auch an Eduard Gerhard Clauß, „einer der produktivsten Porzellankünstler“, der unter anderem die markante Porzellanwand im Gebäude der einstigen Dresdner Hauptpost hinterlassen hat.
Otto Rost schuf das erste Ehrenmal für Sowjets auf deutschem Boden. Auch das Denkmal für die gefallenen Soldaten der 5. Gardearmee bleibt nicht unerwähnt. Es wurde von Otto Rost geschaffen - und sollte laut Kirsch das einzige sowjetische Ehrenmal auf deutschen Boden bleiben, das von
einem deutschen Künstler geschaffen wurde (bei allen späteren kamen sowjetische Künstler zum Zuge). Den Sowjets gefielen die Arbeiten des versierten Bildhauers, was diesem weitere Denkmalaufträge und eine sichere Position in den neuen Verwaltungsstrukturen des Kunst- und Kulturbetriebes sicherte, obwohl er als ehemaliges NSDAP-Mitglied nicht wieder in die Staatliche Akademie der bildenden Künste aufgenommen wurde. Aber als Mitglied der Bezirksauftragskommission war er nicht nur an der Entscheidung über die Vergabe von Aufträgen beteiligt, sondern übernahm selbst einige
künstlerische Arbeiten.